Berichte einer Krankenschwester aus der Intensivstation während Covid-19: Der psychologische Aspekt
Seit letztem Sommer kümmere ich mich um Covid-19-Patienten, die intensive Pflege benötigen. Hier erzähle ich, wie es ist, als Krankenschwester während dieser Pandemie zu arbeiten.
South Korea, Eastern Asia
Eine Geschichte von Lee Jayoung. Übersetzt von Veronica Burgstaller
Veröffentlicht am June 8, 2021.
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Achtung - sensible Inhalte: Diese Geschichte enthält Beschreibungen des körperlichen und psychologischen Zustands von Patienten auf der Intensivstation, was für einige Leser verstörend sein könnte.
Ich bin Krankenschwester und arbeite auf der Intensivstation (ITS) eines großen staatlichen Krankenhauses in Seoul, Südkorea. Seit letztem Sommer kümmere ich mich um Covid-19-Patienten, die intensive Pflege benötigen. Hier erzähle ich, wie es ist, als Krankenschwester während dieser Pandemie zu arbeiten.
Abgesehen von den Auswirkungen, die Covid-19 auf den Körper hat, habe ich festgestellt, dass der Corona-Virus größere psychologische Auswirkungen auf Patienten hat als andere Krankheiten. Meine Patienten sind allein im Isolierraum und sie dürfen ihre Familien und Freunde nicht sehen. Sie sind an dieser, noch sehr unbekannten Krankheit erkrankt, und liegen im Bett mit Gedanken an den möglichen Tod. Der Aufenthalt in einem Raum mit ständigem Licht und Maschinengeräuschen im Hintergrund bedeutet auch, dass diese Patienten oft nicht gut schlafen können. Sie befinden sich in einem Zustand ständiger Ungewissheit und das belastet sie. Als Krankenschwester, die diese Menschen jeden Tag beobachten muss, habe auch ich damit zu kämpfen, denn ich bin nicht nur ihre Krankenschwester - ich bin auch Familie und Freund geworden. Das beeinflusst mich natürlich psychologisch sehr.
Ich kann nicht genügend betonen, wie wichtig die Anwesenheit von Familienmitgliedern für einen Patienten ist. Aber diese Möglichkeit ist einem durch Covid-19 genommen worden.
Ich hatte einen Patienten, ein älterer Herr, der schon seit 3 Monaten auf der Station war. Sein Zustand war sehr schlecht. Da er so lange im Isolierraum verbracht hatte, litt er unter schweren Depressionen. Sein Körper war auch geschwächt und er konnte keine langen Telefonate mit seiner Familie führen. Also beschlossen wir, dass Anrufe nur zu bestimmten Zeiten erlaubt waren. Jeden Tag flehte er mich an, seine Familie anzurufen, dann meinte er, er wolle sterben. Stellt euch vor, ihr kümmert euch um jemanden, der immer wieder sagt, nicht mehr leben zu wollen. Ich kann nicht genügend betonen, wie wichtig die Anwesenheit von Familienmitgliedern für einen Patienten ist. Aber diese Möglichkeit ist einem durch Covid-19 genommen worden.
Auf der Intensivstation ist es nicht einfach zu leben, aber es ist auch nicht einfach zu sterben. Aus physischer Sicht stecken Schläuche aus dem Körper der Patienten. Sie leiden unter den Nadeln, die sie mit lebenswichtigen Nährstoffen versorgen, und können ihren Körper aufgrund von Muskelschwund nicht mehr richtig bewegen. Die Maschinen, auf die sie zum Überleben angewiesen sind, verursachen Schmerzen, die das Leben zur Qual machen. Für mich ist es unglaublich schmerzhaft, das mit anzusehen. Aus psychologischer Sicht müssen sie unter Scham leiden, weil sie sich oft selbst beschmutzen. Sie fühlen sich einsam und vermissen ihre Nahestehenden, ohne zu wissen, ob - oder wann - sie sterben werden. Jeden Tag müssen diese Menschen einen Schmerz erleiden, den ich nicht nachvollziehen kann.
Manchmal frage ich mich, ob es nicht besser wäre, wenn wir genau wüssten, wann wir sterben werden. Obwohl ich keine Religion habe, stelle ich mir dir Frage, wann der Sensenmann meine Patienten abholen wird, damit ich wissen kann, ob ich noch einen weiteren Tag habe, indem ich versuchen kann, sie zu retten und ihnen die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. Alles, was ich mir wünsche, ist, dass sie eines Tages aus der Tür des Krankenhauses gehen und rufen können: "Hurra, ich bin am Leben!"
Im vergangenen Jahr haben viele Krankenschwestern und Ärzte gekündigt. Andere, die den Druck auf der Intensivstation nicht mehr aushalten, haben darum gebeten, in weniger stressige Abteilungen versetzt zu werden. Ein weiterer Grund, warum sie kündigen, ist, dass wir mit Covid-19-Infizierten arbeiten. Ein großer Teil der Bevölkerung sieht uns als Gefahr an und wir werden in der Gesellschaft ausgegrenzt.
Obwohl es nicht einfach ist, möchte ich keinen Urlaub nehmen oder aufhören zu arbeiten. Ich überwinde die Schwierigkeiten - das körperliche Unbehagen und den psychischen Schmerz -, indem ich denke, dass diese Erfahrung ein Teil meiner persönlichen Entwicklung als Mensch ist.
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