Das Essen als Quelle der Bindung zu Menschen
Essen verbindet Menschen miteinander. Während meines Auslandsstudiums in Tecpan, Guatemala, begegne ich eine Reihe von hausgemachten Mahlzeiten und lokalen Lebensmitteln, die ich in den Vereinigten Staaten nie probiert oder gesehen habe.
Eine Geschichte von Sidra Kennedy. Übersetzt von Veronica Burgstaller
United States, Northern America
Veröffentlicht am 22. Oktober 2020
Lesedauer: 4 Minuten
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Meine guatemaltekische Gastmutter nimmt eine Handvoll rohen Maisteig[1] und formt kleinen Kugeln, um Tortillas zu machen. Ich kippe Mehlbananen in das heiße Öl und schau meine Gastmutter dabei bewundert an. Wir frühstücken am Tag nach unserem ersten Treffen und haben noch kein Gespräch geführt, bei dem wir beide verstehen konnte, was gesagt wurde. Sie musste mir das Wenden der Mehlbananen demonstrieren, damit ich die Aufgabe, die mir anvertraut wurde, begreifen konnte. Erst jetzt, wo wir Seite an Seite kochen, fühle ich mich, also könnte ich sie verstehen.
In der nordamerikanischen Kultur, mit der ich aufgewachsen bin, wird Essen oft als eine Notwendigkeit angesehen, aber nicht als eine Quelle der Bindung. Ich stelle jedoch fest, dass in fast jeder Kultur und Tradition das Essen im Mittelpunkt steht. Essen verbindet Menschen miteinander. Während meines Auslandsstudiums in Tecpan, Guatemala, begegne ich eine Reihe von hausgemachten Mahlzeiten und lokalen Lebensmitteln, die ich in den Vereinigten Staaten nie probiert oder gesehen habe. In Tecpan gibt es einen lokalen Markt, auf dem jeden Tag Verkäufer kommen, um ihre Produkte zu verkaufen. Sonntags und donnerstags nimmt der Markt die ganze Stadt ein, vollgepackt mit Verkäufern aus allen umliegenden Städten. In diesen Menschenmengen verliere ich oft die Übersicht über meine Gastmutter, die nicht größer als 150 Zentimeter war. Jeden Tag besuchen wir die gleichen Essensstände. Meine Gastmutter unterhält sich mit den örtlichen Bauern, die sie kennt, und wählt sorgfältig die besten Produkte aus. Die Ernteerträge schwanken jede Woche und die Auswahl der Produkte ändert sich mit den Jahreszeiten. Jedes Mal kehren wir mit anderen Lebensmitteln nach Hause zurück, um selbst gekochte Mahlzeiten zuzubereiten.
Ich weiß die frischen Lebensmittel vom lokalen Markt sofort zu schätzen. Später verstehe ich, dass dieses System besser für die Umwelt ist als die Lebensmittelgeschäfte, mit denen ich aufgewachsen bin. In den nordamerikanischen Lebensmittelgeschäften stapeln sich die Regale mit Obst und Gemüse, und zwar in fast der gleichen Menge, unabhängig von der Jahreszeit. Die Fähigkeit, diese "perfekten" Lebensmittel zu jeder Jahreszeit herzustellen, ist das Ergebnis von genetisch veränderten Organismen (GVO) und Massenimporten. Beide Systeme schaden unserer Umwelt. Die Begegnung mit Nicht-GVO-Produkten in Tecpan lässt mich darüber nachdenken, wie viele von den Lebensmitteln, die ich in den Vereinigten Staaten verzehre, genetisch verändert wurde.
Ich lerne: GVO sind vom Menschen gentechnisch veränderte Pflanzen. GVO sind so konzipiert, dass sie wünschenswerte Eigenschaften haben, wie ein einheitliches Aussehen und die Erhaltung der Frische während des Langstreckentransports. Obwohl diese Eigenschaften die Früchte im Lebensmittelgeschäft zugänglich machen, können GVO-Kulturen auch den Einsatz von Agrochemikalien erfordern, die die Ökosysteme schädigen. Der Massenimport verbrennt auch massive Mengen fossiler Brennstoffe und kann die heimische Landwirtschaft untergraben.[2]
Während der zwei Monate in Guatemala, bin ich von Ideen über Lebensmittel umgeben. Indem ich mich über die örtliche Landwirtschaft bis hin zum Kochen ausbilde, um Beziehungen zu meiner Gastfamilie aufzubauen, erlebe ich sowohl, wie Lebensmittel Menschen verbinden als auch unsere Umwelt zerstören können. Aber in Tecpan sehe ich, dass ein gutes Essen für die Menschen nicht unbedingt schlecht für die Umwelt sein muss. Um Essenskulturen auf der Welt aufrechtzuerhalten, müssen wir danach streben, Ernährungssysteme zu schaffen, die auf lokalen Ökosystemen und Traditionen beruhen und weniger abhängig von Agrochemikalien, fossilen Brennstoffen und GVO sind. Jetzt zurück in Nordamerika erweitere ich die Verbindung, die ich zu meiner Gastfamilie in Guatemala hergestellt habe, indem ich frische, lokale Lebensmittel kaufe und mit meinen Mitmenschen unglaubliche Mahlzeiten koche.
Fußnoten
[1] Maisteig ist gemahlener Mais, aus dem Tortillas, Chuchitos und andere traditionelle guatemaltekische Gerichte zubereitet werden.
[2] Weitere Informationen über GVO und das globale Nahrungsmittelsystem unter: Ausschuss für Welternährungssicherheit “Genetically Modified Crops: Seeds of Hope or Deception?” (http://www.fao.org/cfs/home/blog/blog-articles/article/en/c/1104228/); Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO “Agricultural biotechnologies” (http://www.fao.org/biotech); Bewegung für Ernährungssouveränität La Via Campesina (https://viacampesina.org/en/); Allianz für Ernährungssouveränität in Afrika (https://afsafrica.org/); "Tomorrow's Table" von Pamela Ronald und Raoul Adamchak (New York: Oxford University Press, 2008)
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