Bildet die niederländische Toleranz ein Hindernis für die tatsächliche Akzeptanz von Minderheiten?
Schwule Männer genießen fast die gleichen gesetzlichen Rechte wie Heterosexuelle und werden daher offiziell akzeptiert. Meine persönliche Erfahrung hat mich jedoch gelehrt, dass die soziale Akzeptanz von Homosexualität oft von zahlreichen Bedingungen abhängt.
Eine Geschichte von Hugo Oms. Translated by by Veronica Burgstaller
Netherlands, Western Europe
Veröffentlicht am Friday, 27. March 2020
Lesedauer: 2 Minuten
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Diese Woche gab es in der niederländischen nationalen Zeitung "NRC" einen Artikel über die rassistischen Kommentare, die niederländische Bürger mit chinesischem Hintergrund, seit dem Ausbruch des Coronavirus, erdulden mussten. Wendy Zeng - eine niederländische Medizinstudentin, deren Eltern aus China sind - erzählt, wie zwei Jungs künstlich zu husten begannen und dabei "Corona" schrien, während sie den Bus bestieg. Der Radiosender "Radio 10" spielte auch ein Karnevalslied ab, das den Text "die stinkenden Chinesen sind schuld" enthielt, und in Wagening wurde eine Wohnung mit Kot beschmiert mit den Worten ""Stirbt ihr Chinesen"". Wendy war über den Rassismus geschockt, den sie seit dem Ausbruch des Coronas auf nationaler Ebene erlebt hat, und kommt zu dem Schluss, dass sich die Niederländer hinter dem Begriff der Toleranz verstecken. Wendy erklärt, "die Niederländer "tolerieren" anscheinend alles, was von der Norm abweicht. Anscheinend weicht das chinesische Volk von dieser Norm ab. Das ist an sich schon ein Problem. Toleranz ist ein Hindernis für die Akzeptanz." Diese Aussage hat mich zum Denken gebracht: Verstecken sich die Niederländer wirklich hinter dem Begriff der Toleranz und bildet dies ein Hindernis für die wahre Akzeptanz von Minderheiten?
Als niederländischer, schwuler Mann stimme ich zweifellos der Aussage von Wendy zu. Schwule Männer genießen fast die gleichen gesetzlichen Rechte wie Heterosexuelle und werden daher offiziell akzeptiert. Meine persönliche Erfahrung hat mich jedoch gelehrt, dass die soziale Akzeptanz von Homosexualität oft von zahlreichen Bedingungen abhängt. Während meines ganzen Lebens wurde mir unzählige Male gesagt, was für ein großartiger "schwuler" Kerl ich bin, nur weil ich nicht so "extravagant" oder "weiblich" bin. Mir wurde auch mehrfach auf der Straße Namen zugerufen und einmal wurden mein Ex-Freund und ich aus einem Nachtclub in Rotterdam ausgewiesen, weil sie nicht wollten, dass Schwule in ihrem Club sich küssen. Uns wurde gesagt, falls wir intimer werden wollten, sollten wir stattdessen in eine Schwulenbar gehen. Die Akzeptanz der LGTBQIA-plus Gemeinschaft scheint daher von bestimmten Verhaltensnormen (Geschlechtsnormen) abhängig zu sein. Man darf schwul sein, solange man nicht zu weiblich oder extravagant ist, oder solange man dies nicht öffentlich zur Schau stellt. In diesem Sinne scheint meine Homosexualität toleriert zu werden, aber sie wird definitiv nicht immer akzeptiert.
Bedeutet dies, dass die niederländische Toleranz ein Hindernis für die tatsächliche Akzeptanz von Minderheiten in den Niederlanden darstellt? Ich denke schon. Wie Wendy bereits klargestellt hat, impliziert das Wort "Toleranz“, dass eine Gruppe negativ von einer bestimmten Norm abweicht. Das Konzept betont daher diese Unterschiede. Versteh mich nicht falsch: In den Niederlanden leben eine große Vielfalt von Menschen, die alle die Niederlande als ihre Heimat wahrnehmen. Ich frage mich jedoch, ob diese verschiedenen Gruppen miteinander oder nebeneinander leben. Aufgrund unserer multikulturellen Gesellschaft und des rechtlichen Schutzes niederländischer Minderheiten wird häufig davon ausgegangen, dass die Emanzipation von Minderheiten "vollständig erzielt" ist. Es kann sein, dass die rechtliche Gleichheit der Minderheiten und die enorme Vielfalt der Menschen dazu geführt haben, dass wir die Notwendigkeit aus den Augen verloren haben, unsere sozialen Unterschiede zu überbrücken und zu akzeptieren, anstatt sie nur zu "tolerieren". Wir sollten daher unseren Schwerpunkt von Toleranz auf Akzeptanz verlagern. Denn solange Menschen wie Wendy weiterhin diskriminierenden Kommentaren ausgesetzt sind, scheint die Emanzipation niederländischer Minderheiten bei weitem nicht erlangt zu sein.
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